Premiere:
Murdoch droht öffentlich mit Ausstieg
Weiterer Schlag für die Kirch-Gruppe als Mehrheitseigentümer des verschuldeten Bezahlfernsehens. Finanzsituation des Konzerns wird immer bedrohlicher.
Der Medienmagnat Rupert Murdoch sandte am Donnerstag aus dem fernen Australien eine Botschaft an seinen Kollegen Leo Kirch im beschaulichen Münchner Vorort Ismaning, die Kirch gar nicht gefreut haben dürfte. "Möglicherweise werde ich Kirch zwingen, unseren Anteil an Premiere zurückzukaufen", meinte Murdoch bei einer Pressekonferenz seiner Medienholding News Corporation in Adelaide. "Derzeit planen wir, das zu tun."
Dieser Rückkauf würde Kirch rund 3 Mrd. DM kosten, Murdochs Ankündigung kommt für Kirch zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Denn die augenblickliche Finanzsituation ist extrem angespannt, selbst für die Verhältnisse des traditionell hoch verschuldeten Film- und TV-Unternehmers. In etwa dürfte die Unternehmensgruppe Schulden von 7 Mrd. DM haben.
Kirch unter Druck
Das Damoklesschwert des Murdoch-Ausstiegs bei Premiere World ist hier nur ein Puzzleteil in einem weiten Gefüge an Bankkrediten, fälligen Millionenschulden an Geschäftspartner, dringend benötigten Geschäftsabschlüssen sowie weiteren Ausstiegsrechten von Gesellschaftern. Hinzu kommt, dass Kirch gerade dabei ist, den Börsengang des wichtigsten Standbeins in seinem Konzern, der Kirch Media, vorzubereiten. Dieser soll im Frühjahr 2002 über eine Fusion mit der bereits börsennotierten TV-Tochter Pro Sieben Sat 1 passieren, dies hat Kirch seinen Minderheitsgesellschaftern vertraglich versprochen.
Unter diesen Umständen hilft es Kirch möglicherweise wenig, dass Murdoch hinzufügte, der derzeitige Ausstiegsplan sei noch keinesfalls "die endgültige Entscheidung". Zwar werten Branchenkenner die Aussage lediglich als Säbelrasseln. Doch das öffentliche Statement des Australiers erhöht den Druck auf die Kirch-Gruppe. Erst vor wenigen Tagen hat das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen eine Untersuchung gegen den Medienkonzern eingeleitet.
Murdoch kann ab 2003 seinen Anteil von 22 Prozent am Abosender Premiere World wieder zurückgeben, weil das Unternehmen nur 2,3 Millionen zahlende Kunden anstelle der geplanten 3,5 Millionen aufweisen kann. Allein im Vorjahr hat Premiere World so Verluste von 1,8 Mrd. DM verursacht. Murdoch hatte den Premiere-Anteil Ende 1999 für knapp 3 Mrd. DM in bar sowie in Aktien seiner britischen Pay-TV-Firma BSkyB erworben; die Aktien hat Kirch wieder verkauft. Ursprünglich wäre die Ausstiegsoption am 1. 1. 2002 wirksam geworden, Murdoch ließ sich aber zu einem Aufschub um ein Jahr überreden.
Kampf an vielen Fronten
Auch der Zeitungsverlag Springer, der bei Kirchs TV-Tochter Pro Sieben Sat 1 knapp 11,5 Prozent hält, hat sich ein Ausstiegsrecht ausbedungen. Springer kann die Anteile ab Mitte 2002 zurückgeben. Geschätzte Kosten für Kirch: rund 1,5 Mrd. DM.
Neben diesen drohenden Zahlungen verhandelt Kirch derzeit vielerorten über Geschäfte, bei denen es ebenfalls um Milliardenbeträge geht. Von den Hollywoodstudios fordert er Rabatte bei den teuren Filmbezugsverträgen, die allesamt bis etwa zum Jahr 2006 laufen.
In einem Fall ist die Sache bereits eskaliert: Mit den Universal Studios tobt ein Gerichtsverfahren mit hohen Schadensersatzforderungen. Die mündliche Verhandlung beginnt Mitte November.
In der Formel 1, bei der Kirch vor wenigen Tagen die Mehrheit übernommen hat, ist immer noch ungewiss, ob Ferrari, Mercedes und BMW ihre Drohung wahr machen und ab 2008 eine eigene Rennserie starten. Damit würden die Investitionen von Kirch in Gesamthöhe von etwa 1,7 Mrd. $ stark entwertet werden.
Kein Glück mit Fußball
Auch die Erlöse aus den TV-Übertragungsrechten für die Fußball-WM 2002 laufen alles andere als nach Kirchs Erwartungen. In Großbritannien und in Frankreich zeichnen sich auf Grund der hohen Preisvorstellungen von Kirch bereits Kaufboykotte der TV-Sender ab. In den großen Fernsehmärkten konnte Kirch die Rechte an den sonst so begehrten Spielen bislang erst in Spanien und Deutschland (an ARD und ZDF) verkaufen.
Alles in allem wird damit deutlich, dass Leo Kirch und insbesondere sein Stellvertreter und designierter Nachfolger Dieter Hahn eine Milliarden-Baustelle nach der anderen zu verwalten haben. Angesichts dieses Drucks meinte ein Wettbewerber bereits bewundernd: "Ich frage mich, wie der Hahn das überhaupt aushält. Seit Monaten macht er nichts anderes, als von einer Krisenverhandlung zur nächsten zu hetzten - Ecclestone, Springer, Murdoch. Der Mann muss Nerven wie Drahtseile haben."
Diese bräuchten übrigens auch die Banken, Gesellschafter und Aktionäre von Kirch, fügte der Manager lapidar hinzu.
Quelle: Financial Times Deutschland, 11.10.01 22:15